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Sommerhitz'n
Eine Kommissar Wengler Geschichte
Taschenbuch: ISBN: 978-3-7575-3737-1
E-Book: ISBN 978-3-7554-3799-4

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Kommissar Wengler saß in seinem Wohnzimmer, oben im dritten Stock, in Giesing. Es war heiß an diesem frühen Abend, als er mit seinen Freunden dort vor seinem Pseudobalkon saß und mit ihnen Schafkopf spielte. Es war nur eine Tür nach draußen die man offen ließ, mit einem Geländer davor, dass man nicht aus Versehen durch diese geht und sich unten auf dem Bürgersteig wiederfand. Sie saßen dort, da dies wenigstens ein bisschen Kühle brachte. Und das war dringend nötig, da es unerträglich heiß war.

Gerade als Herbert Wengler seinen letzten Trumpf spielen wollte, um das Spiel zu seinen Gunsten zu beenden, klingelte das Telefon. Es war Armin, sein Assistent. Jemand wäre in einem Pool in der Nobelgegend Nymphenburg ertrunken, sagte er ihm. Man müsse sich darum kümmern. Also fuhren sie dort hin. Kaum dort angekommen, trafen sie auf seinen Freund Klaus Mergentheimer von der Spurensicherung. Wie immer war die Begrüßung äußerst herzlich.

„Ja, der Herbert. Bist auch schon da? Hamma ja alle sehnsüchtig auf dich g'wartet“

„Habt's nicht, weil der Tote scheinbar schon aus'm Wasser is. Oder is der am Rasen ersoffen?“

Wie so in den höheren Kreisen üblich, bekamen sie nicht viel Unterstützung in ihren Nachforschungen, warum der Hausherr sein zeitliches gesegnet hatte. Aber durch akribisches Nachhaken und unendlicher Geduld, fügten sich sehr bald die Machenschaften zu einem Bild, und die Schuldigen konnten wieder einmal ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.

Sommerhitz'n

Eine Kommissar Wengler Geschichte

von

Olaf Maly

 

2023 ©Olaf Maly

 

 

Kapitel 1 (Auszug)

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Kommissar Wengler saß in seinem Wohnzimmer, oben im dritten Stock, in Giesing. Dort, wo die Straßenbahn seit ihrer Erbauung die Kurve nimmt, um gegen Osten zu fahren. Was man immer an dem quietschenden Geräusch mitbekommt, wenn die Tür zur Straße auf ist. Zum Balkon eben. Na ja, zum französischen Balkon. Zu einem richtigen hat es nie gereicht. Nur eine Tür nach draußen, mit einem Geländer davor, dass man nicht aus Versehen durch diese geht und sich unten auf dem Bürgersteig wiederfand. Nun, man selbst würde sich sicher nicht wiederfinden. Andere schon. Der Sanitäter, zum Beispiel, der bedauernd den Tod feststellen würde, indem er nach oben blickte, wo eben diese Tür aufstehen würde. Wenn sie kein Geländer hätte. Man hatte diese Tür nachträglich nach dem Krieg eingebaut, um die Wohnung attraktiver zu machen. Damals musste man noch Mieter suchen.

Aber das würde dem Kommissar nicht passieren. Das mit dem Hinabstürzen vom französischen Balkon. Er wohnte dort seit seiner Jugend, also wusste er um die Gefahr und vermied, sich der Öffnung riskant zu nähern. Außerdem war seine Wohnung mitten in Giesing, wo man irgendeine Tür geflissentlich sowieso nicht zu oft aufhaben sollte.

Es war heiß an diesem frühen Abend, als er mit seinen Freunden dort vor seinem Pseudobalkon saß und mit ihnen Schafkopf spielte. Diese waren der Hintermeier Egon von der Glockenbachstraße und der Schäfer Franz aus Giesing. Sie saßen an der offenen Tür, da dies wenigstens ein bisschen Kühle brachte. Und das war dringend nötig, wegen der Hitze eben. Wenn es auch nur ein leichter Luftzug war, der von der Straße nach oben zog. Wie man sich vorstellen konnte, war dieser Schwall von Luft nicht gerade eine sehr gesunde Angelegenheit, da um diese Zeit immer noch die Autos fuhren. Wie eigentlich um jede Zeit. Besonders der Bus 52 vom Bahnhof nach Neuperlach und zurück. In der Stoßzeit alle zwanzig Minuten. Wenn dieser den Berg, es war ein kleiner Hügel, eigentlich kein Berg, hinauffuhr, musste ein Gang zurück geschaltet werden, was aus dem armdicken Auspuff, der nach oben ging, einen gewaltigen Schwall von rußigem Abgas entweichen ließ. Dann wurde es für kurze Zeit dunkel am Himmel. Je nachdem, wie der Wind wehte.

Herbert Wengler hatte allerdings auch ein bisschen vorgesorgt, um es seinen Freunden ein wenig gemütlicher zu machen. Durch ein paar Beziehungen hatte er es gerade noch geschafft, einen der wertvollen Gebläse zu ergattern, die seit Wochen ausverkauft waren. Es gab sie nur noch unter der Hand. Sogar seine Bekanntschaften, die wirklich wussten, wie man solche Dinge, die nicht zu haben sind, bekam, hatten Probleme. Aber dort stand er nun. Auf dem Tisch seiner Mutter, der Herrgott hab sie selig, auf dem immer die Vase seiner Tante stand. Die musste weichen. Für den Ventilator. Auf höchster Stufe eingestellt, blies er die warme Luft in den Raum und letztendlich durch die französische Balkontür ins Freie. Deswegen kam auch der Geruch der Straße nicht komplett ins Zimmer, was alle drei als sehr vorteilhaft empfanden.

„Des hast gut g’macht, Herbert“, meinte der Hintermeier Egon, der sonst mit Komplimenten an seinen Freund sehr zurückhaltend war.

„Ja, des muss ich auch sagen. Da hast recht, Egon. Da kann man sagen, was man will, aber in dem Fall hast du wirklich den Hasen abg’schossen.“

„Den Vogel.“

„Was für einen Vogel, Herbert?“

„Man sagt den Vogel abg’schossen, Franz, nicht den Hasen.“

„Has oder Vogel, des is doch total wurscht. Abg’schossen is abg’schossen. Jetz geh endlich raus mit deine blöden Karten. Sonst werd’n wir ja nie fertig.“

„Lass dir nur Zeit. Du bist nur sauer, weilst wieder verlierst.“

„Mein lieber Herbert, des werden wir seh’n, wenn des vorbei is. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“

Beide sahen ihren Freund Franz Schäfer eindringlich an. Und dann einander.

„Ja sag, Franz, seit wann bist du denn so bewandert in der deutschen Literatur. Du kennst ja direkt zwei Sprichwörter. Wenn eins auch nicht ganz richtig war.“

„Ihr zwei unterschätzt mich total. Schon immer. Ich bin nicht so dumm wie ihr des immer glaubts.“

„Ja“, sagte Herbert Wengler.

„Wir kennen dich ja auch erst seit mehr als vierzig Jahr. Da kann man schon noch was lernen. Überraschungen gibt’s immer.“

Dann war Ruhe. Alle drei mussten sich auf das Spiel konzentrieren. Besonders Herbert Wengler, da er mit zwei Euro und fünfundzwanzig Cent vorne lag und die nicht wieder verlieren wollte.

 

Gerade als Herbert Wengler seinen letzten Trumpf spielen wollte, um das Spiel zu seinen Gunsten zu beenden, klingelte das Telefon. Alle drei ignorierten es. Das Klingeln eines Telefons ist in bestimmten Situationen, besonders wenn es um den Endsieg im Kartenspiel geht, total zu vernachlässigen. Als gäbe es das Geläut ganz einfach nicht. Nur, wer immer auch am anderen Ende war, gab nicht auf. Als die letzte Karte gespielt, der Franz und der Egon anfingen, gehörig zu fluchen und auf ihren Freund zu schimpfen, stand Herbert Wengler auf, um es abzunehmen. Er hatte ein bestimmtes Gefühl, wer das sein konnte, war also nicht gerade begeistert, den Weg zu nehmen. Er wusste, dass es das Ende der Schafkopfrunde sein würde. Zwar lag er nun mit drei Euro fünfzig Cent vorne, was ihm eine gewisse Genugtuung gab, er war aber deswegen nicht abgeneigt, das Spiel zu beenden. Seine Freunde aber würden es nicht glauben, dass dieser Anruf nicht von ihm bestellt war. Nur weil er gewonnen hatte. Und es nicht wieder verlieren wollte.

„Ja, des passt ja sauber, des mit dem Anruf, Herbert. Jetz, wo dass du g’wonnen hast, müss ma aufhör’n. Du Gauner, du g’seichter.“

Der Schäfer Franz hatte ihm das nachgerufen, als er auf dem Weg zum Telefon war. Und der Hintermeier Egon musste ihm Recht geben. Nur nutzte es nichts. Das Spiel war zu Ende.

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