Hundskraut
Ein Oberbayern Krimi
Taschenbuch: ISBN: 978-3-96714-095-8
E-Book: ISBN 978-3-96714-082-8
Die Valentinshütte ist verflucht. So wird es zumindest von den wenigen Bewohnern gemunkelt, die das Verbrechen an einem jungen Mädchen vor vierzig Jahren noch miterlebt haben. Der Mörder wurde nie gefasst.
Als nach all den Jahren ein Pilzsammler in der Hütte erneut eine Leiche findet, wird Kommissar Bernrieder mit den Geschehnissen von damals konfrontiert. Ein halbes Menschenleben liegt zwischen den beiden Morden. Doch wer sollte Interesse daran haben, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen?
Akribisch muss Bernrieder die Puzzlestücke zusammenfügen Denn der Täter hat dem Kommissar eine symbolische Nachricht hinterlassen, die es zu entschlüsseln gilt, Bevor Bernrieder der Wahrheit näher kommen kann.
Hundskraut
Ein Oberbayern Krimi
von
Olaf Maly
2020 ©Olaf Maly
Kapitel 3 (Auszug)
An dem besagten Morgen, es war ein Donnerstag, ging Hans Moser wie fast jeden Tag sehr früh in den Wald. Im Sommer standen die Stein- und Butterpilze immer recht gut, besonders wenn es ein bisschen geregnet hatte oder die Nacht das Wasser aus der Luft an die Pflanzen weitergab, die es scheinbar genüsslich aufsogen. Man musste nur früh kommen, gerade wenn die Sonne aufging und die Feuchtigkeit sich noch nicht verzogen hatte. Das war das Wichtigste. Da erstens auch die Tiere wussten, wo es die besten Pilze gab, und zweitens ein paar andere Kollegen gute Plätze hatten, war es ausschlaggebend, der Erste zu sein. Jeder der Sammler hatte natürlich seinen geheimen Platz, den er nie und niemals preisgeben würde, auch nicht unter angedrohter Folter, aber man wusste ja nie, ob diesen geheimen Platz nicht auch andere schon gefunden hatten.
Es war keine leichte Arbeit, da die besten Pilze unter den riesigen Tannen wuchsen, deren schwere Äste bis zum Boden durchhingen. Man musste sich bücken, die Zweige hochheben und nachsehen, was ab einem gewissen Alter dem Wohlbefinden nicht sehr zuträglich war. Anders ausgedrückt, es tat einfach weh. Meistens noch den ganzen Tag über.
Sein Weg führte immer genau derselben Route entlang, seine ›Pilzroute‹, wie er sie nannte. Das Ende dieser Wanderung war dann wieder im Ort, wo er sich in der Bäckerei ein paar Semmeln kaufte, um zu Hause in Ruhe zu frühstücken. Ungefähr in der Mitte dieses Weges stand die Valentinshütte. Er hatte in seinem Leben alle Versionen dieser Einrichtung miterlebt. Als junger Mann war er auch freiwilliger Jagdgehilfe gewesen und mit dem damaligen Jäger, dem Schwarz Toni, oder dem ›schwarzen Toni‹, wie die Leute ihn genannt hatten, stundenlang durch den Wald gestrichen. Sie hatten ihn so genannt, da er volle schwarze Haare und einen schwarzen Vollbart gehabt hatte, der auch im Alter nicht ergraut war. Nur der Toni war seit Langem tot. Sie hatten an dieser Hütte oft Halt gemacht, sich ihre Brotzeit aus dem Rucksack geholt, gegessen und geredet. Der Toni konnte viele Geschichten erzählen, manchmal wahre, manchmal ein bisschen verdrehte wahre Geschichten. Hans Moser hatte gerne zugehört. Es waren gute Zeiten gewesen.
Dann kamen auf einmal die Hippies aus der Stadt, keiner wusste, warum. Sie brachten Unordnung, Lärm und Ansichten, die man im Dorf nicht verstand und auch nicht verstehen wollte. Aber man konnte nichts dagegen tun, sie waren einfach da und ließen sich nicht vertreiben. Das hielt Gott sei Dank nicht lange an. Nach diesem kurzen Zwischenspiel verfiel alles mehr oder weniger, und die Natur holte sich ihren Besitz wieder zurück. Es war traurig mit anzusehen, was aus der Hütte geworden war, aber trotzdem blieb er dort immer wieder für ein paar Minuten stehen und erinnerte sich an die Zeiten, als es noch eine richtige Bleibe gewesen war und der Toni seine Geschichten erzählt hatte. Dann nahm er seinen Klappstuhl, den er immer auf den Rücken geschnallt hatte, und setzte sich einige Minuten auf die Terrasse, die es einmal dort gegeben hatte.
Eine dieser Geschichten war eben auch die von der Maria Wiesberger, die dort angeblich als Geist weiterhin ihr Unwesen trieb. Aber das war sehr lange her. Er glaubte nicht an Geister oder so, zuckte dennoch manchmal zusammen, wenn er an der Hütte saß und etwas knackte. Dann sah er sich um und schimpfte mit sich selbst, dass er so dumm war, zu erschrecken.